Unersetzlich
Über Essen und faszinierende Gemeinwohlinstitutionen
„Beschriebene Musik ist halt wie ein erzähltes Mittagessen“, sagte Franz Grillparzer und man weiß sofort, was er meinte. In der Tat wird mit einer Notation oder einem Rezept auch nicht versucht, das Werk zu beschreiben, sondern diese enthalten Anweisungen, aufgrund derer, wenn man ihnen folgt, man eine analoge Erfahrung machen kann, wie derjenige, der sie gibt. Dadurch kann eine Idee vermittelt werden, ohne dass sie aus- oder vorgeführt werden muss.
Eine ähnliche Absicht verfolgt auch Nuzzes, indem darin Menschen mit persönlichen Erfahrungen in sozialökonomischen Betrieben (SÖB) oder gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten (GBP) diese teilen.
Nicht, dass Ihr Autor das Musizieren oder Kochen für einfach hielte.1 Er übt beides nicht aus. (Lebensmittel „anschwitzen“?! Dabei denke ich an meine Trainingsmatte. Und Schlagzeug zählt nicht, schließlich erklärte niemand geringerer als Bon-Jovi-Drummer Tico Torres einem Interviewer: „I’m not a musician, I’m a drummer.“)
Aber bei SÖB und GBP wird es noch mindestens eine Ebene komplexer. Otar Kiteishvili, ein Schlüsselspieler der Blackies von Sturm Graz brachte es unlängst auf den Punkt, wenngleich er natürlich vom Fußball sprach: „Es gibt keine Liste an Dingen, die du erledigen musst, um automatisch Erfolg zu haben. Es dreht sich alles um ein vielgliedriges Gruppengefüge.“
Deshalb sammelt Nuzzes Erfahrungen von Menschen, die diese selbst auch gemacht haben, um den bestmöglichen Eindruck davon zu vermitteln, was Arbeiten in SÖB und GBP ist und worauf es dabei ankommt.
In seinem Buch von geradezu wagnerianischem Umfang „Resonanz“ beschreibt Hartmut Rosa Anverwandeln als einen Prozess der Aneignung, der mit Veränderung von Subjekt und Welt einhergeht. Essen fällt eindeutig unter diese Beschreibung. Die Sphären des Ökonomischen und des Sozialen wiederum sind gleichsam eingewoben in das Konzept sozialökonomischer, gemeinnütziger Institutionen mit transformativer Wirkung.
Wie man sieht, war die Erweiterung von Nuzzes um eine Rubrik mit Kochrezepten aus den Küchen sozialökonomischer Betriebe naheliegend. Georg Christoph Lichtenbergs kluger Satz, „Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zur Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei“, inspirierte ihren Titel.
Auch das Bild am Anfang des vorliegenden Textes passt zum Gegenstand dieses Newsletters. Denn so wie Salz früher zur Konservierung von Lebensmitteln unerlässlich und daher besonders kostbar war, so sind auch SÖB und GBP in vielen Fällen unersetzlich, wenn Hilfestellung beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt benötigt wird.
Fotos: Erich Schuster, Angela Suscher
Link zu Gelesen und gegessen
Vielleicht sind Kochen und Musizieren sogar zwar einfach, aber sie sind jedenfalls nicht leicht.
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