Arbeit in helfenden Settings ist oft Schwerarbeit. Sie ist aber nicht unbedingt gleich als solche erkennbar. Die Seele verarbeitet langsam und zuerst einmal unmerklich. Ausgleich im persönlichen, beruflichen und privaten Bereich ist erforderlich. Der Beitrag von Carmen Plautz beschäftigt sich mit dem Thema des achtsamen und fürsorglichen Umgangs mit sich selbst.
Meine persönliche Conclusio zu besonders wichtigen Begriffen im Arbeitsalltag
Kurz nach Beginn meines Studiums der Sozialen Arbeit begann ich voller Tatendrang ein Praktikum in der Justizanstalt Klagenfurt in Kärnten. Für mich war zu diesem Zeitpunkt klar, dass ich in erster Linie Berufserfahrung im pädagogischen Bereich sammeln möchte, um meinem Ziel – der sozialpädagogischen Arbeit mit jungen Erwachsenen - näher zu kommen. Aufgrund der doch sehr abrupten und direkten Konfrontation mit immensem Leid und vielschichtigen Problemen im Alltag der Justizanstalt, wurde mir sofort bewusst, dass ich meinen persönlichen Weg finden muss, um mit diesen Themen umzugehen. Im Studium selbst habe ich diese Unterstützung nicht bekommen, somit habe ich mich in Eigenregie – mittels Fortbildungen und Recherchen - mit den Themen Selbstfürsorge, Resilienz und Abgrenzung auseinandergesetzt. Es ist mir ein großes Anliegen, meine persönliche Conclusio daraus in diesem Beitrag zu teilen, weil ich mir selbst während der Anfänge meiner pädagogischen Karriere eine solche Hilfestellung gewünscht hätte.
Resilienz kommt von „resiliare“, dem lateinischen Wort für „abprallen“, und steht für psychische Widerstandskraft, die hilft, Krisen zu bewältigen. Im Allgemeinen wird Resilienzfähigkeit durch innere und äußere Faktoren bestimmt. Innere Resilienzfaktoren beziehen sich auf Ressourcen und Einstellungen, die Menschen verinnerlicht haben, wie etwa das Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten. Äußere Resilienzfaktoren beziehen sich auf unsere Umwelt. Diese umfassen vor allem die soziale Unterstützung sowie den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung. Es ist nachgewiesen, dass Personen, die über ein gut funktionierendes Umwelt-Netzwerk verfügen, sich schneller und besser von psychischen Belastungen erholen können als jene, die darauf nicht zurückgreifen können bzw. keinen Zugang dazu haben.
Betrachtet man Konzepte/Texte über Resilienz im Allgemeinen, so erscheinen mir persönlich folgende Punkte bedeutend:
Selbstwahrnehmung (auf eigene Bedürfnisse Acht geben) - „Ich kann nur Hilfe/Unterstützung geben, wenn es mir selbst gut geht.“
Selbstwirksamkeit - „Ich vertraue auf meine Fähigkeiten und Kompetenzen.“
Grenzen erweitern - Fokus liegt auf den Lösungen
Realistischer Optimismus - „Ich kann mir die Bedingungen nicht aussuchen, aber ich kann mir aussuchen, wie ich damit umgehe.“
Aktive Steuerung der Situation/en - „Ich konzentriere mich auf die Dinge, welche ich aktiv ändern kann.“
Soziale Kompetenz (Unterstützung annehmen)
Selbstverantwortung - „Ich werde vom Opfer der Umstände zum Gestalter der Zustände.“ (Viktor Frankl)
Um das Thema abzurunden, widmen wir uns nun den Themen Selbstfürsorge und Abgrenzung.
Viele von uns gehen regelmäßig zur jährlichen Gesundenuntersuchung, betreiben Sport und versuchen, sich gesund zu ernähren. Oft wird dabei jedoch auf die eigene Selbstfürsorge/seelische Gesundheit vergessen. Daher möchte ich mit dem nachfolgenden Abschnitt auf die Wichtigkeit der eigenen psychischen Gesundheit hinweisen und gleichzeitig auch Tipps geben, wie dies im Alltag gut gelingen kann. Denn nur wenn es mir selbst gut geht, kann ich privat und auch im Coaching/Beratungssetting den Projektteilnehmerinnen und Projektteilnehmern unterstützend und beratend zur Seite stehen.
Sich selbst annehmen
Sei gut zu dir selbst, sprich gut über dich! Hierbei könnte hilfreich sein, dass du dir jeden Abend drei Dinge überlegst, die dir gut gelungen sind. Auch die kleinen Dinge des Alltags können an dieser Stelle große Erfolge sein.
Darüber reden
Sprich es aus, wenn dich etwas belastet! Vor allem in Konfliktsituationen ist es wichtig, seinem Gegenüber mit sogenannten Ich-Botschaften zu vermitteln, dass das Gesagte Unwohlsein in einem hervorruft. Auch im Beratungskontext kann es immer wieder zu Fällen/Ereignissen kommen, welche sehr belastend sind. Das Wichtigste an dieser Stelle: Hole dir die Unterstützung, die du benötigst. Sei es durch kollegiale Fallberatung oder durch professionelle Supervision. Gespräche mit Gleichgesinnten bzw. erfahrenen Supervisorinnen und Supervisoren erweitern den eigenen Horizont und können dabei helfen, neues „Werkzeug“ für den Beratungsalltag zu erlernen.
Aktiv bleiben
Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Bewegung/Aktivitäten die seelische Gesundheit positiv beeinflussen. Jeder noch so kurze Weg, der z. B. zu Fuß erledigt werden kann, bringt ein wenig Aktivität in deinen Alltag. Für jeden von uns gibt es die richtige Bewegungsform/Sportart.
Neues lernen/Neues kennenlernen
Jeder/jede von uns hatte schon einmal ein Hobby/Ausflugsziel etc. im Kopf, das er/sie unbedingt einmal ausprobieren wollte. Und der richtige Zeitpunkt dafür ist genau jetzt! Jetzt ist die beste Zeit, damit anzufangen. Tu dir selbst etwas Gutes und erkunde neues Terrain.
In Kontakt bleiben
Soziale Kontakte sind wichtig, nicht nur für die eigene Psychohygiene, sondern auch für unser Gegenüber. Es muss auch nicht immer ein ernstes Thema sein, auch Humor darf in unserem Leben nicht fehlen. Soziale Kontakte können den eigenen Horizont erweitern und im Allgemeinen eine Bereicherung für das eigene Leben darstellen. Das Wichtigste dabei: Bleib authentisch!
Kreatives Tun
Kreativität schafft einen Ausgleich zu vielen Anspannungen, welche uns im Alltag begegnen. Durch kreatives Tun können wir ganz viel Entspannung in unseren Alltag bringen, z. B. einen Raum neu gestalten, eine Fotocollage erstellen etc.
Sich beteiligen
Eine der wichtigen Lebenserfahrungen ist, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Das kann z. B. durch ehrenamtliche Arbeit/Mitarbeit in einem Verein etc. passieren. Diese Art der Betätigung stärkt das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und somit Teil einer Gemeinschaft zu sein, die sich für eine Sache einsetzt. Doch auch an dieser Stelle gilt: Auf die eigenen Ressourcen und Kapazitäten achten!
Um Hilfe fragen
Es ist ein großes Zeichen von Stärke, um Hilfe zu fragen. Unterstützung anzunehmen kann auch erlernt werden – sprich mit deinen Mitmenschen darüber! Oft weiß/merkt dein Umfeld gar nicht, dass du Unterstützung brauchst.
Sich entspannen
Es heißt nicht umsonst: In der Ruhe liegt die Kraft. Und es bedarf keiner großen Maßnahmen. Es gibt Entspannungsverfahren, die leicht in den Alltag integriert werden können, z. B. Yoga, kleine Bewegungseinheiten oder auch Zeiten ohne Smartphone und Co.
Sich nicht aufgeben
Jeder/jede von uns erfährt in seinem Leben Phasen, Ereignisse oder Krisen, welche uns ziemlich aus der Bahn werfen können. Der wichtigste Faktor in diesem Kontext ist Zeit. Gib dir die Zeit und ergreife die Maßnahmen, die du dafür benötigst, um diese Phase zu überstehen und daraus gestärkt hervorzugehen. Auch wenn das im ersten Moment nicht möglich erscheint. Gerne wird in solchen Situationen vergessen, dass jede/jeder von uns über ein unglaubliches Potential verfügt: Mach dir deine eigenen Stärken aktiv bewusst.
Dabei unterstützen kann das Erinnern an andere Krisen und was einem geholfen hat, diese gut zu überwinden. Waren es bestimmte Personen, die einen unterstützt haben oder auch gewisse Rituale?
Mein persönlich wichtigster Punkt: Abgrenzung
Bei der Stärkung der seelischen Gesundheit darf der Punkt Abgrenzung keinesfalls fehlen. Vor allem im Hinblick auf die Arbeit mit Projektteilnehmerinnen und Projektteilnehmern stelle ich mir folgende Fragen:
Welches Ziel möchte ich in den Beratungseinheiten gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erreichen? Was kann ich anhand meiner Expertise/Ausbildung abdecken? Wo liegen meine persönlichen Grenzen? Wo brauche ich Unterstützung (fachlich und persönlich)? Was kann und möchte ich meinen Mitmenschen und Projektteilnehmerinnen und Projektteilnehmern mitgeben?
Diese Fragen sind für mich essenziell, um eine persönliche Abgrenzung zu gewährleisten.
An dieser Stelle möchte ich auch gerne einen für meine pädagogische Arbeit sehr wichtigen Leitsatz anführen: „Hilf mir, es selbst zu tun!“ (In Anlehnung an Maria Montessori.)
Übersetzt bedeutet das für mich: Ich gebe den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das notwendige Werkzeug in die Hand, sodass sie ihren Weg bestreiten können. Ich kann ihnen aber die Umsetzung nicht abnehmen. Diese Abgrenzung ist für mich ein sehr wichtiger Punkt, denn ich möchte keinem der Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Selbstwirksamkeit absprechen.
Auch im privaten Kontext ist das Thema Abgrenzung von großer Bedeutung: Es ist in Ordnung Nein zu sagen und auf seine eigenen Ressourcen Acht zu geben. Im Großen und Ganzen ein besonders wichtiger Schritt, um das Thema Selbstfürsorge im alltäglichen Leben nicht zu vergessen.
Abschließend hoffe ich, dass dieser kurze Exkurs in die Themen Resilienz und Selbstfürsorge die Achtsamkeit auf die eigenen Ressourcen (wieder) ein wenig schärft, sodass wir unseren Arbeitsalltag positiv und gestärkt bestreiten können.
Quellen
Resilienz stärken mit den 8 Resilienzfaktoren (karlallmer.com)
Erste Hilfe für die Seele – Eine Initiative von pro mente Austria (erstehilfefuerdieseele.at)
Weiterführende Literatur
Rising Strong von Brené Brown - ISBN 978-0-09-195503-8
The Gifts of Imperfection von Brené Brown - ISBN 978-1-78504-354-3
Wer ein Warum zu leben hat von Viktor E. Frankl - ISBN 978-3-407-86492-5
Selbstfürsorge und Schutz vor eigenen Belastungen für Soziale Berufe von Dima Zito - ISBN 978-3-7799-3169-0
Ausgangspunkt Selbstfürsorge von Lydia Hantke - ISBN 978-3-95571-856-5
Autorin
Geboren im schönen Kärnten habe ich mich nach dem Bachelorabschluss der Sozialen Arbeit dazu entschieden, das Masterstudium der Sozialpädagogik in Graz zu absolvieren. Schon während meines Studiums war es mir besonders wichtig, so viel Berufs- und Lebenserfahrung wie nur möglich zu sammeln. Und so reicht meine Berufserfahrung von einem Praktikum in Triest (Frauenhaus) bis hin zu einem Forschungsprojekt in Dänemark. Der Schwerpunkt meiner bisherigen beruflichen Tätigkeit lag jedoch immer in der Arbeit mit Kindern und jungen Erwachsenen - immer mit dem Ziel, unterstützend und beratend ihren individuellen Weg zu begleiten.
Seit 2015 lebe ich in Wien mit meinem Lebenspartner und meinem Hund, die Freizeit genieße ich gerne in der Natur und in den Bergen meiner Heimat Kärnten.