Ein ereignisreiches Jahrzehnt
Auf der berühmten Strudlhofstiege in Wien überwindet man eine Geländekante, die vor langer Zeit das Steilufer der Donau war. Wer die Vergangenheit ins Auge fasst, schärft den Blick für die Gegenwart. Mit Gabi Schalling vom Arbeitsmarktservice (AMS) folge ich dem Verlauf der Entwicklungen in einem für die Wiener sozialökonomischen Betriebe und gemeinnützigen Beschäftigungsprojekte ereignisreichen Jahrzehnt.
Gabi, du warst ab Herbst 1997 über zehn Jahre hinweg im Wiener Arbeitsmarktservice im Bereich der Förderung von sozialökonomischen Betrieben und gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten tätig. Das ist ein Zeitraum, in dem sich viel von dem, was andernorts als Paradigmenwechsel oder auch Systematisierung1 in diesem Feld benannt wird, abgespielt hat. Welche Veränderungen gab es aus deiner Sicht in dieser Zeit?
Also eine ganz maßgebliche Entwicklung war die Einführung einheitlicher und regelmäßiger Datenerhebungs- und -auswertungsprozesse zur Steuerung und Optimierung. Um mehr darüber zu wissen, welche Effekte mit den Förderungen erzielt werden und wie effizient ihr Einsatz ist. Begriffe wie „Monitoring“ und „Platzkosten“ bekamen damals eine Bedeutung. Das hat dann schon dazu beigetragen, dass sich ein verändertes Bewusstsein über den finanziellen Aufwand für solche Projekte entwickelt hat. Und dass die Projekte gezielter für die Schwerpunktzielgruppen des Arbeitsmarktservice eingesetzt wurden. Von ihrer Rolle als Dienstleister für die AMS-Zielerreichung war immer wieder die Rede.
Wie waren die Zielgruppen bis dahin definiert?
Sehr projekt-individuell je nach dem Entstehungszusammenhang des Projektes oder der ideellen Ausrichtung des Projektträgers. Beispielsweise Haftentlassene oder Arbeitslose mit einer bestimmten, handwerklichen Fachausbildung. Um die Jahrtausendwende vollzog sich dann aber eben ein Schwenk zu einer Vereinheitlichung und das Förderinstrument der Beschäftigungsprojekte wurde mit der Zeit de facto ausschließlich für die arbeitsmarktfernsten Menschen zugänglich gemacht. Das konnten oder wollten manche der Einrichtungen nicht mitvollziehen.
Überhaupt unterschied sich die Zusammensetzung der Projektträgerlandschaft nach zehn Jahren deutlich von jener, die du 1997 vorgefunden hast.
Auf jeden Fall. Und dieser Wandel ist danach auch noch eine Zeit lang weitergegangen. Wobei es da unterschiedliche Gründe gab. Ursache waren oft Schwierigkeiten mit den Entwicklungen im Bereich oder Kostengründe. Teils haben auch kleinere Vereine die Aktivitäten eingestellt oder an größere Organisationen abgegeben.
Welche grundlegenden Veränderungen gab es noch?
Womit wir uns lange beschäftigt haben, war die Wirkungsmessung im Bereich abseits des Wechsels von einer Beschäftigung in einem Projekt in eine am regulären Arbeitsmarkt, der ja vergleichsweise einfach nachzuvollziehen ist und auch das primäre Ziel darstellt. Längere Zeit gab es das Konzept der „Job-readiness“, eine Art Wieder-Bereitsein für eine Arbeitsaufnahme, den Anschluss gefunden haben. Aber das ließ sich für eine Messung nicht ausreichend objektivieren, sodass es fallen gelassen werden musste. Obwohl es an dem Umstand, dass das in den Projekten passiert, dass Menschen dort der Anschluss an den Arbeitsmarkt gelingt, keinen Zweifel gibt. In Verbindung mit dem in den Vordergrund getretenen Kostenbewusstsein wäre es natürlich höchst wünschenswert gewesen, solche Wirkungen auch nachvollziehbar ausweisen zu können. Ohne einen solchen Leistungsnachweis gab es für die Projekte immer irgendwie das Gefühl, dass ein erheblicher Teil ihrer mit viel Einsatz und Können erreichten Fortschritte mit ihren Klientinnen und Klienten nichts zählt.
Und eine erhebliche Umstellung war auch die Verkürzung der Zeit, die jemand maximal in einem Projektdienstverhältnis zubringen kann, von – im Regelfall – einem auf ein halbes Jahr. Stattdessen kamen dann später andere Module, wie eine vorbereitende Einstiegsphase und ein Nachbetreuungszeitraum, dazu.
Gabi, vielen Dank für das Gespräch!
Arbeitsmarktservice Österreich (Hg.), Die experimentelle Arbeitsmarktpolitik der 1980er- und 1990er-Jahre in Österreich, S. 35