Gelingende Kommunikation ist die Voraussetzung für jedes Zusammenleben und Zusammenarbeiten. Kommunikation, die misslingt, führt häufig zu Verletzungen, zu Konflikten, ja sogar Kriegen. Umso erstaunlicher ist es, dass das Werkzeug dafür nicht schon im Kindergarten vermittelt wird und in den Lehrplänen der meisten Ausbildungen fehlt. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie mit zwei einfach beschreibbaren Kommunikationstechniken und ein bisschen Übung aus jeder Situation einen Weg in Richtung Lösung finden.
„Du stinkst!“, oder warum gerade heraus oft falsch ist.
Ich habe schon in relativ frühen Jahren, Anfang zwanzig, viel an Selbsterfahrungsgruppen teilgenommen, Freude daran gefunden und deshalb eine Ausbildung zum Selbsterfahrungstrainer begonnen. Es war eine große Gruppe von fast sechzig Menschen, die eine Woche sehr intensiv miteinander gearbeitet hat. Nach den langen, intensiven Tagen sind wir dann noch abends, meist bei Wein und Zigaretten (das war damals noch normal) beisammengesessen und haben das Erlebte diskutiert. Am zweiten oder dritten Tag hätte ich fast verschlafen und die für sieben Uhr angesetzte Morgenmeditation versäumt. Ich bin also nur rasch in meinen Trainingsanzug gesprungen und zum Gruppenraum gelaufen.
Bei dieser Meditation ist man einander jeweils zwei und zwei recht nahe gegenübergesessen. Mir gegenüber eine etwa gleichaltrige Frau, die mir durchaus sympathisch war. Wir saßen noch keine fünf Minuten, als sie sich mit ekelverzogenem Gesicht von mir abwandte und sagte: „Du stinkst!“ So laut, dass es wohl alle im näheren Umfeld mitbekommen haben.
Mir ist diese Aussage durch Mark und Bein gefahren, ein Gefühl von Peinlichkeit, Schmerz, Wut durchströmte mich. Ich war sprachlos und sehr getroffen. Ich habe dieses Erlebnis bis heute nicht vergessen, auch das Gesicht der Frau noch vor Augen und irgendwie, auch wenn wir das damals bearbeitet und uns ausgesprochen haben, habe ich ihr das noch immer nicht ganz verziehen.
Was ist da schiefgelaufen?
Nun ganz einfach, es war ein Frontalangriff, noch dazu einer, der die Intimzone betroffen hat.
Menschen reagieren auf solche Angriffe sehr unterschiedlich: Mit Gegenangriff, mit Flucht, mit Erstarrung, jedenfalls mit starken Emotionen. In der Regel kommt dabei nichts Produktives bzw. Konstruktives heraus.
Lässt sich eine solche Situation auch anders lösen?
Ja – eine der beiden Königsmethoden der Kommunikation, die Ich-Botschaft oder “Über-mich Botschaft“ wie ich sie gerne nenne, verhindert, dass in solchen Situationen unnötig Porzellan zerschlagen wird.
Über-mich-Botschaften
Die Über-mich-Botschaft besteht aus drei bis vier Teilen:
Sie beschreibt den Auslöser (möglichst neutral), also das Verhalten des Gegenübers,
benennt das Gefühl, das bei mir ausgelöst wurde und
knüpft einen Wunsch daran.
Will man es im Sinne der „Gewaltfreien Kommunikation“ (Methode nach Marshall B. Rosenberg, siehe Literaturhinweis am Ende des Beitrags) machen, wird auch noch das eigene Bedürfnis ausgedrückt, das hinter dem Wunsch steht. Das hilft dem Gegenüber, den Hintergrund des Wunsches besser zu verstehen.
Im Gegensatz zu Vorwürfen und Du-Botschaften (wie „Du stinkst“ oder „Wann wirst Du endlich …“ usw.), werden Ich-Botschaften, weil derjenige, der sie ausspricht, über sich selbst spricht, nicht als Angriff erlebt. Ganz im Gegenteil. Wer eine Ich-Botschaft sendet, öffnet sich und macht sich dadurch bis zu einem gewissen Grad verwundbar. Gleichzeitig ist eine Ich-Botschaft aber auch Ausdruck von Stärke. Es gehört immer auch eine Portion Mut dazu, etwas sehr Persönliches – und Gefühle sind etwas sehr Persönliches – auszusprechen.
Indem man über die eigenen Gefühle spricht, übernimmt man auch Verantwortung dafür, etwas was dem Gegenüber Respekt abverlangt. (Siehe den Artikel „Verstehen, wie wir Menschen funktionieren“.)
Sehr oft ist die Reaktion auf eine Ich-Botschaft eine kurze Irritation, ein Innehalten, gefolgt von einem Gedanken wie „Oh, das wollte ich nicht auslösen“, bis hin zu einem „Das tut mir jetzt wirklich leid“. Während Du-Botschaften Gegenangriffs- oder Verteidigungsreaktionen auslösen, bewirken Über-mich-Botschaften ein Innehalten und Nachdenken. Letzteres ist jedenfalls ein guter Boden für eine bewusste Verhaltensänderung und damit in der Sache wirksamer.
Ich-Botschaften wendet man immer dann an, wenn man „selbst ein Problem“ hat, mit einer Person oder mit einer Situation und wenn das Verhalten der Person oder die Situation eigene stärkere Gefühle ausgelöst hat.
Ein Beispiel aus dem Restaurant INIGO, einem sozialökonomischen Gastronomiebetrieb, den ich fünf Jahre lang leiten durfte.
Wir hatten eine neue Transitarbeiterin1 eingestellt, eine junge dunkelhäutige Frau X. Auch wenn wenig erfahren als Kellnerin, war sie doch bemüht und hatte auch stets ein freundliches Lächeln auf den Lippen.
Schon nach wenigen Tagen kam der Serviceleiter zu mir: „Georg, du musst da was machen. Frau X stinkt! Gerade hat sich einer unserer Stammkunden bei mir beschwert. Er sagt, dass ihre Ausdünstung beim Aufnehmen der Bestellung und beim Bezahlen unerträglich ist. Und ehrlich gesagt: Er hat recht, Frau X stinkt einfach. Das muss ihr wer sagen, sowas geht in der Gastronomie nicht!“
Keine einfache Situation. Würde mir das heute in einer Selbsterfahrungsgruppe passieren, würde ich wohl zu ihr hingehen und wenn ich ihren Körpergeruch ebenso empfinde, sagen: „Frau X, wenn ich in ihrer Nähe stehe, ekelt mir, ich vertrage ihren starken Körpergeruch nicht. Ich bitte Sie darum, regelmäßig zu duschen oder ihre Kleidung zu wechseln.“
Aber wir waren ja im INIGO und Frau X eine ehemals langzeitarbeitslose Kellnerin, zudem dunkelhäutig, was die Situation nicht einfacher machte.
Ich berief nach dem Mittagsgeschäft ein kurzes Team-Meeting ein. Neben dem Service-Leiter war auch die Service-Leiterin der Abendschicht dabei und die Sozialarbeiterin.
Schnell war uns klar, so eine Rückmeldung durfte ihr nur eine Frau geben. Da geht es doch um etwas sehr Intimes. Die Vorstellung, die Botschaft zu überbringen, bereitete den beiden Kolleginnen Unbehagen. Ja, wir hatten ein Problem mit der bevorstehenden Situation.
Wie lautete die Regel? Wenn ich ein Problem habe: Ich-Botschaft.
Das gilt auch bei einem bevorstehenden Problem; vorbeugende Ich-Botschaft wird das dann benannt. Wie funktioniert das?
Im konkreten Fall so: „Frau X, ich habe ein Problem. Es fällt mir schwer, ihnen das Folgende zu sagen (bevorstehende Situation). Ich habe Angst, (mein Gefühl) sie zu verletzen. Ich wünsche mir, dass sie es verstehen und sich dadurch nicht verletzen lassen (Wunsch).“
In diesem Sinne hat letztlich die Service-Leiterin das Thema mit Frau X angesprochen. Ihrem Bericht nach ist es ein richtig gutes Gespräch geworden. Frau X war sich ihres Körpergeruches nicht bewusst und sie war es auch gewohnt, Kleidung zwei Tage lang zu tragen. Nach dem Gespräch war alles anders. Frau X fiel nur mehr durch ihr fröhliches Wesen auf und die Stammkunden fühlten sich durch sie gut betreut.
(Über-m)ich-Botschaften
Was ist eine Ich-Botschaft?
Durch eine Ich-Botschaft legen Sie offen, wie das Verhalten des Gegenübers auf Sie wirkt und was es bei Ihnen auslöst.
Die Teile der Ich-Botschaft:
„Ich bin …“ – Wirkung; das Gefühl, das bei Ihnen ausgelöst wurde
„Weil …“ – Wahrnehmung; beobachteter Sachverhalt/Auslöser
„Ich möchte …“ – Wunsch; Erwartung, Wunsch an den anderen
Wann verwende ich Ich-Botschaften?
Wenn Sie selbst ein „Problem“ (mit einer Situation oder einem Menschen) haben.
Wenn Sie Feedback geben und wollen, dass es eine Chance hat, angenommen zu werden.
Vorbeugend, in schwierigen Gesprächssituationen.
Warum Ich-Botschaften?
Durch Ich-Botschaften können Konflikte bzw. die Eskalation von Konflikten verhindert werden.
Ich-Botschaften
werden weniger aggressiv erlebt,
verletzen, nicht/weniger,
kommen ohne Bewertung oder Beschuldigung aus,
lösen daher weniger Widerstand aus und ermöglichen ein Darüber-Nachdenken.
Aktives Zuhören
Beruhigen Sie sich doch!
Ich habe für unterschiedliche Auftraggeber Bürgerforen moderiert. Meist ging es um Infrastrukturprojekte. Der Ablauf war meist so, dass erst der Projektbetreiber das Projekt präsentiert hat und im Anschluss den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben wurde, Fragen zu stellen. In einem dieser Foren, es waren gut 30 Bürger anwesend, passierte es, dass unmittelbar nach der Präsentation ein Mann aufsprang und laut zu schreien begann: „Das ist ein Wahnsinn, das könnt‘s ihr nicht machen … ihr macht alles kaputt …!“ Das dauerte einige Minuten. Seine Sitznachbarn versuchten, ihn zu beruhigen, was ihn ganz offensichtlich noch wütender machte. Ich gab dem Projektleiter, der auch schon einen Versuch starten wollte, ein Zeichen, damit noch abzuwarten. Ich ließ das, was gerade passierte, einige Minuten zu und erlaubte dem Mann, Dampf abzulassen. Dann ging ich langsam ein paar Schritte in seine Richtung, wartete seine nächste Verschnaufpause ab und sagte dann laut und vernehmlich zu ihm: „Sie sind ganz schön wütend über das was sie gerade gehört haben.“ Der Mann hielt einen Moment inne und sagte: „Ja! Genau!“ Mit einem Schlag war der Großteil seiner Emotion verflogen und es war möglich, über seine Befürchtungen bezogen auf das Bauprojekt zu reden.
Was habe ich gemacht? Ich habe die Kommunikationstechnik Aktives Zuhören eingesetzt.
Die Methode geht auf den amerikanischen Psychotherapeuten Carl Rogers zurück, der die Gesprächstherapie entwickelt hat.
Wie funktioniert Aktives Zuhören?
Im Grunde ist die Methode einfach zu beschreiben. Wie der Begriff schon sagt, geht es um Zuhören, also hören, was der andere sagt, neugierig seinen Gedanken und Ausführungen folgen und ihn verstehen wollen. Blickkontakt ist wichtig, Nicken und ein zustimmendes „Mhm“ sind gut. Das beschreibt Schulz von Thun (siehe Literaturhinweis am Ende des Beitrags) als die erste Stufe des Aktiven Zuhörens.
Das Gegenüber muss erkennen, dass Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit zu einhundert Prozent bei ihm sind. Und Achtung: Jede Art von Ratschlägen oder „Ich habe einmal was ganz Ähnliches erlebt“ sind dabei verboten.
Die zweite Stufe ist schon nicht mehr ganz so einfach. Es geht darum, das, was das Gegenüber sagt, mit eigenen Worten zusammenzufassen, paraphrasieren nennt man das. Wichtig dabei ist, möglichst jeden Gedanken am besten schon nach ein paar Sätzen aufzunehmen, zusammenzufassen und so dem Gesprächspartner aktiv zurückzuspielen, was man verstanden hat. Diese Zusammenfassung sollte ganz ohne Bewertung passieren, also ohne „Das hast du gut oder schlecht gemacht“. Vielmehr leitet man seine Zusammenfassung ein mit den Worten „Wenn ich dich richtig verstehe, dann war das so und so…“. Das kann am Anfang etwas hölzern und „komisch“ klingen, es erleichtert den Anfängern aber wirklich, beim Aktiv Zuhören zu bleiben.
Der Effekt beim Gegenüber ist oft erstaunlich. Durch die ununterbrochene Rückmeldung wird dem Gesprächspartner das Wesentliche der Situation klarer und sehr rasch kommt es zu einer tieferen Art des sich selbst Verstehens. Carl Rogers sah den Menschen als ein Wesen, dessen Grundbedürfnis die Selbstentwicklung ist. Daraus folgt auch, dass jeder die aktuell ideale Lösung für seine Probleme in sich trägt. Aktiv Zuhören hilft dem Menschen, seine eigenen Lösungen in sich zu entdecken.
Gerade dann, wenn Gespräche tiefer gehen, werden Gefühle sichtbar bzw. erspürbar. Die dritte Stufe des Aktiven Zuhörens besteht darin, wann immer solche Gefühle auftauchen, sie anzusprechen, ähnlich wie ich das mit dem wütenden Bürger gemacht habe. Durch das Ansprechen gelangen sie ins Bewusstsein und ermöglichen einen Zugang zu dem, was hinter den Gefühlen steckt. Die Gefühle eines Gesprächspartners zu erkennen und anzusprechen, bedarf ein bisschen Übung und natürlich das nötige Vokabular. Und es ist wichtig, dazuzusagen, dass man Gefühle beim anderen vermutet. Zum Beispiel: „Wenn sie das so sagen, wirken sie ein wenig traurig auf mich, stimmt das?“ Der andere kann dann entweder bestätigen oder aber widersprechen. Beides ist gleich wichtig für das weitere Gespräch.
Wann wendet man Aktives Zuhören an?
Aktives Zuhören kann man in sehr unterschiedlichen Situationen anwenden, jedenfalls immer dann, wenn „das Gegenüber ein Problem hat“. Es eignet sich aber auch in Führungssituationen und auch in jeder Art fachlicher Diskussion oder in der Konfliktlösung.
Aktives Zuhören erfüllt das Grundbedürfnis, wahrgenommen zu werden und durch es entsteht sehr rasch Nähe und damit Beziehung.
Aktives Zuhören
Was ist Aktives Zuhören?
Gespräch führen durch Folgen
Haltung der Neugier (Blickkontakt, zugewandt sein), Zeit und Geduld
keine (unbewussten, inneren) Bewertungen
Gesagtes zusammenfassen/paraphrasieren
vermutete Gefühle ansprechen
eventuell körpersprachliches Spiegeln
Mögliche Satzanfänge:
Wenn ich Sie richtig verstehe …
Sie glauben/denken/meinen also …
Das hat Sie gefreut, geärgert etc.
Ermuntern durch: „Ich verstehe …“, „Mhm …“, „Ah so …“
Wann wende ich Aktives Zuhören an?
immer dann, wenn das Gegenüber ein Problem hat
in Führungs-/Beratungsgesprächen
Warum Aktives Zuhören?
Durch Aktives Zuhören bekommt das Gegenüber das Gefühl, dass Sie ihn (mit seinem Problem) ernst nehmen,
Interesse haben, zu verstehen und helfen wollen.
Aktiviert Selbsthilfepotential.
Warum nenne ich Über-mich-Botschaften und Aktives Zuhören die Königsmethoden der Kommunikation?
Beide Methoden setzen voraus, dass man mehr als nur ein oberflächliches Interesse daran hat, das Gegenüber zu verstehen und vom Gegenüber verstanden zu werden. Das heißt, man muss wollen, dass Kommunikation funktioniert.
Beide Methoden berücksichtigen einen Aspekt in der zwischenmenschlichen Kommunikation, der mir im Alltag oft zu kurz zu kommen scheint, nämlich Gefühle. Im Rahmen jeglicher Kommunikation Gefühle wahrzunehmen und mit ihnen zu arbeiten, sie einzubeziehen, verhilft zu gelingender Kommunikation.
Beide Methoden brauchen etwas Übung, um sie „wie im Schlaf“ anwenden zu können. Beide Methoden brauchen etwas Mut, nicht zuletzt, weil sie – besonders am Anfang – auf das Gegenüber „etwas komisch, eigenartig“ wirken können. Das verfliegt allerdings, wenn man so sicher darin ist, dass sie in die Alltagskommunikation integriert wurden.
Wenn man diese beiden Methoden verinnerlicht hat, dann wird es kaum noch Situationen geben, mit denen man nicht zurechtkommt.
Man wird sehr effektiv in der Kommunikation und auch bei der Bewältigung von Aufgaben und damit ein höchst attraktiver Mitarbeiter, erfolgreicher Chef oder begehrter Beziehungspartner.
Man versteht es in jeder Situation, zwischen Aktiv Zuhören (wenn das Problem eher beim Gegenüber ist oder man etwas zu klären oder entwickeln hat) und Ich-Botschaften (wenn das Problem bei einem selbst liegt und Gefühle einen zu überschwemmen drohen) zu wechseln. Man kommt so in einen richtigen Kommunikations-Flow, der einen selbst und das Gegenüber bereichert und in der Sache (rasch und effizient) weiterbringt.
Unpünktlichkeit - Anwendungsbeispiel aus der Fachanleitung in einem sozialökomischen Betrieb.
Ein Teilnehmer, Herr Y, kommt zum wiederholten Male zu spät. Die Fachanleiterin A, mit ihrem Team zuständig für die Objektreinigung, spricht ihn an: „Ich bin echt sauer. (Ich-Botschaft) Sie kommen 10 Minuten zu spät und ich muss die Arbeitseinteilung für heute jetzt nochmals machen. Das bringt mich in Stress, weil ich zu spät zu meiner Besprechung komme. (Auslöser und Konsequenzen) Ich wünsche mir, dass sie morgen pünktlich kommen und ich den Tag gut halbwegs entspannt beginnen kann. (Wunsch und Bedürfnis) Herr Y: „Eeecht, des hob i ned gwusst.“
Frau A: (Aktiv zuhörend) „Ah, es war ihnen nicht bewusst, welchen Stress sie bei mir damit auslösen. Sie wirken ein bisschen überrascht. (3. Stufe Aktiv zuhören: vermutetes Gefühl ansprechen) Stimmt das? Herr Y: „Naa, des wollt i ned. Mei Junior, dea mocht imma so Probleme in da Fruah.“ Frau A: „Ihr Sohn tut sich schwer mit dem Aufstehen?“ Herr Y: „Jo, ea fiacht sie voa da Schui, wü ned hin un doan dauad ollas ewig.“ Frau A: „Ihr Sohn hat Schulangst und wehrt sich in der Früh dagegen, in die Schule zu gehen? Das nervt sie, richtig?“ (Zusammenfassen, Gefühle ansprechen) Herr Y: „Ja, des is jedn Moagn a Kampf, I waas ned wos i mochn soil.“ Frau A: „Sie sind ratlos und verzweifelt, weil sie nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen?“ …
Ich führe das Beispiel nicht zu Ende, es ist glaube ich klargeworden, worum es geht.
Alternativ hätte Frau A den Teilnehmer auch maßregeln können. Das hätte vermutlich gar nichts gebracht, jedenfalls keine Verhaltensänderung. Vermutlich hätte der Teilnehmer Frau A eher weniger respektiert als vorher.
Jetzt, durch diese kurze Sequenz, stellt sich das Problem ganz anders dar, jedenfalls gibt es jetzt mehrere Möglichkeiten, anzusetzen.
Wie ist diese Chance zu Stande gekommen? Durch eine Ich-Botschaft und Aktives Zuhören.
Weiterführende Literatur
Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens; Marshall B. Rosenberg, 11. Auflage, 2013
Miteinander Reden: 1-3, Friedemann Schulz von Thun, 55. Auflage, 2018
Artikel „Verstehen, wie wir Menschen funktionieren“:
Autor
Georg Engel ist diplomierter Sozialarbeiter, hat Wirtschaft studiert, ist eingetragener Mediator und zertifizierter Erwachsenenbildner. Er hat einen der ersten sozialökonomischen Betriebe in Wien aufgebaut und geleitet – den Würfel - und weitere sechs Jahre Leitungserfahrung im SÖB-Restaurant Inigo und im GBP benefit_work, beides Projekte der Caritas Wien.
Er leitet seit 2012 den Lehrgang „Zertifikatsweiterbildung für Fachanleiterinnen und Fachanleiter sozialintegrativer Betriebe“ (www.georgengel.com) und ist als Unternehmensberater tätig. Seit 2020 leitet er auch das größte Freiwilligen-Projekt der Caritas Wien: Le+O (Lebensmittel und Orientierung).
Menschen, die nach vorheriger Arbeitslosigkeit auf befristeten (Transit-)Arbeitsplätzen in einem SÖB (sozialökonomischer Betrieb) oder GBP (gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt) beschäftigt sind. Mit dieser Arbeit einher geht ein Angebot an Unterstützung (Qualifizierung, Beratung etc.), das einen (Wieder-)Anschluss an den Arbeitsmarkt fördert.